Die Erfahrung war ein Schock für mich: Ich hielt die Hand einer Frau, die niemanden mehr hat. Keinen Freund, keinen Verwandten, niemanden. In einem Pflegebett eines Münchener Seniorenheims dämmerte sie vor sich hin, vom Personal mit professioneller Freundlichkeit umsorgt. Und sie war dort beileibe nicht die Einzige, der es so erging. Im Zuge eines Reportage-Seminars war ich vor einigen Jahren erstmals mit dieser Art von Einsamkeit konfrontiert worden. Aufgewachsen in einer großen Familie auf dem Land, umgeben von Freunden und Nachbarn, war es für mich unvorstellbar, dass es Menschen gibt, die komplett allein dastehen. Doch es werden immer mehr. Selbst wir in der Kirchenzeitung merken das: Immer häufiger haben wir Menschen am Telefon, bei denen man deutlich spürt: Es geht vor allem darum, dass sie jemanden am anderen Ende der Leitung haben, der ihnen zuhört.
Es ist richtig und wichtig, dass sich Politik, Kirche und Gesellschaft um dieses Tabuthema annehmen. Die von Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) initiierte Aktionswoche „Gemeinsam aus der Einsamkeit“ (Thema der Woche der aktuellen Ausgabe Nr. 26 – 2023) hat den Fokus darauf gerichtet.
Natürlich wird jeder und jede mal von Einsamkeit geplagt. Kritisch wird es dann, wenn sie chronisch wird und das Leben bestimmt. Dann schlägt sie sich aufs Gemüt und kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben. Und nicht nur das: Einsame Menschen verlieren schneller als andere das Vertrauen in die Gesellschaft, sind anfälliger für Verschwörungsmythen und können so leichter zu Wutbürgern mutieren.
Die Malteser engagieren sich unter dem Motto „Miteinander-Füreinander“ (MiFü) bei der Bewältigung von Einsamkeit. In der Diözese Passau gibt es dank MiFü sogar drei neue Dienste: den Telefonbesuchsdienst Redezeit, die Beratungsstelle Lebensquell in Altötting und die Friedhofsbegleitung im Landkreis Freyung-Grafenau, die sich derzeit im Aufbau befindet. MiFü geht auf die individuellen Bedürfnisse der älteren Menschen ein, wirkt präventiv und zeigt Wege aus der Vereinsamung. Und natürlich gibt es auch andere kirchliche Verbände und Einrichtungen, die hier ihre Stärken ausspielen. Das ist praktizierte Nächstenliebe.
Dabei wird freilich auch klar: Wenn der Mitgliederschwund in der katholischen Kirche so weitergeht, wird es immer schwerer, solche Angebote am Leben zu erhalten, weil die pfarrkirchlichen Strukturen vor Ort wegbrechen. Die sind aber nötig, um das Ehrenamt zu stützen. Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa warnt deshalb zurecht: Wenn es diese Strukturen nicht mehr gibt, stirbt mehr als nur der Kirchenraum. Aber vermutlich ist vielen noch nicht klar, welche Folgen der Niedergang der Volkskirche noch haben wird.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur
Die Malteser engagieren sich unter dem Motto „Miteinander-Füreinander“ (MiFü) bei der Bewältigung von Einsamkeit. „Wir Malteser haben für alle Dimensionen der Einsamkeit Angebote und Dienste“, sagt Projektkoordinatorin Christina Meisinger (Bild); sie vertrat die Diözese Passau beim Forum Miteinander-Füreinander. Weitere Informationen zum Ehrenamt und auch für Senioren, die Unterstützung bekommen möchten, gibt Christina Meisinger gerne: Tel. 0851÷95666−56, E‑Mail: Christina.Meisinger@malteser.org. – Weitere Infos auf der Website der Malteser Passau.