Der Traum am Stacheldraht

Redaktion am 13.01.2025

2025 01 13 pb alb auschwitz3 Foto: Wolfgang Terhörst
KZ-Gedenkstätte in Auschwitz.

Das KZ Auschwitz im von Deutschland besetzten Polen ist zum Inbegriff für den Mord an den europäischen Juden geworden. Ein Ort beispielloser Barbarei. Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten die letzten Häftlinge. Deshalb wird an diesem Tag weltweit des Holocausts gedacht. Unser Autor des Editorials der aktuellen Ausgabe 3-2025 kommentiert, weshalb der Gedenktag gerade heute so wichtig ist.

Nach 80 Jah­ren sind die meis­ten Zeit­zeu­gen ver­stummt. Sie kön­nen nichts mehr erzäh­len: von der Tötungs­ma­schi­ne­rie, den Abgrün­den, die sich auf­tun, wo das Böse jede Mensch­lich­keit besiegt hat. Und auch nicht von den Hel­den­ta­ten Ein­zel­ner, die sich die Frei­heit bewahr­ten, Mensch zu blei­ben. Erin­nert sei hier nur an Pater Maxi­mi­li­an Kol­be, der anstel­le eines Fami­li­en­va­ters in den Hun­ger­bun­ker ging und dort getö­tet wur­de. Oder an die nie­der­län­di­sche jüdi­sche Intel­lek­tu­el­le Etty Hil­le­sum, die eben­falls in Ausch­witz ermor­det wur­de. Sie hat noch im Auf­fang­la­ger Wes­ter­bork in einem Brief ein Cre­do der Ver­söh­nung für die Freun­de fest­ge­hal­ten: Das Elend ist wirk­lich groß, und den­noch lau­fe ich oft am spä­ten Abend, wenn der Tag hin­ter mir in die Tie­fe ver­sun­ken ist, mit federn­den Schrit­ten am Sta­chel­draht ent­lang, und dann quillt es mir immer wie­der aus dem Herz her­auf […]: Das Leben ist etwas Herr­li­ches und Gro­ßes, wir müs­sen spä­ter eine ganz neue Welt auf­bau­en – und jedem wei­te­ren Ver­bre­chen, jeder wei­te­ren Grau­sam­keit müs­sen wir ein wei­te­res Stück­chen Lie­be und Güte gegen­über­stel­len, das wir in uns selbst erobern müssen […].“

2025 01 13 pb alb auschwitz2 Foto: Wolfgang Terhörst
KZ-Gedenkstätte in Auschwitz.

80 Jah­re nach der Befrei­ung von Ausch­witz fragt man sich, ob mit den Zeit­zeu­gen nicht auch die Erin­ne­run­gen an die­se Zeit bis zur Unkennt­lich­keit ver­blas­sen und die Hoff­nun­gen der tap­fers­ten Frau­en und Män­ner die­ser Zeit ver­wel­ken. Der Vor­hang, der unse­re Zivi­li­sa­ti­on vom Abgrund trennt, bekommt immer mehr Ris­se. Nicht nur in Russ­land, auch in immer mehr Län­dern des Wes­tens wer­den rech­te Popu­lis­ten zum Macht­fak­tor. Sie rei­ßen Grä­ben auf, beschwö­ren den Auf­stand der Mas­sen, ver­un­glimp­fen Min­der­hei­ten und dre­schen mit rohen Wor­ten auf alles ein, was ihnen im Wege steht. In einer kom­pli­zier­ten Welt bestechen ihre For­meln der Ein­fach­heit, ihre nost­al­gi­schen Hym­nen auf eine Welt, die es so nie gege­ben hat.

Nie wie­der! Die­se zwei Wor­te ste­hen dafür, dass es für Ausch­witz kein Ver­ges­sen geben darf. Wir alle, die wir heu­te leben, haben kei­ne Schuld an dem, was pas­siert ist, tra­gen aber eine ganz beson­de­re Ver­ant­wor­tung dafür, dass so etwas nie wie­der geschieht. Für alle, die das Wort Volk“ so gern benut­zen: David Ben-Guri­on sprach in dem Zusam­men­hang von einem Volks­ge­wis­sen“ und einer Volks­ver­ant­wor­tung“. Die­se Ver­ant­wor­tung zu über­neh­men, ist ein Merk­mal von ech­tem Patrio­tis­mus. Nur so wird es uns gelin­gen, die schö­ne­re, die bes­se­re, die lie­be­vol­le­re Welt auf­zu­bau­en, von der Etty Hil­le­sum einst am Sta­chel­draht­ge­träumt hat.

Wolfgang krinninger

Wolfgang Krinninger

Chefredakteur

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