Gutes Material

Redaktion am 03.09.2024

2024 08 28 pb alb statue goethe Foto: Adobe Stock

Die richtigen Worte zu finden ist gar nicht so einfach, erst recht nicht, wenn sich „Lügenkünstler“ und „Lumpwürmer“ einmischen. Da kommt der 275. Geburtstag des Dichterfürsten „Johann Wolfgang von Goethe“ gerade recht, stellt unser Autor im Editorial der aktuellen Ausgabe 37-2024 fest.

Es ist noch nicht so lan­ge her, es lief gera­de die Fuß­ball-Euro­pa­meis­ter­schaft, da gab es eine Spielermaterial“-Debatte. Es ging dar­um, ob es mora­lisch okay sei, wenn man Fuß­ball-Spie­ler, die ja immer­hin auch Men­schen sind, mit einem Mate­ri­al gleich­setzt. Ich bin ganz klar auf der Sei­te der­je­ni­gen, die die­ses Wort-Unge­tüm am liebs­ten in das Reich der ver­ges­se­nen Voka­beln hin­ab­sto­ßen wür­den; dies aller­dings ers­tens aus dem ganz bana­len Grund, weil lan­ge zusam­men­ge­setz­te Wör­ter für kur­ze prä­gnan­te Zei­tungs-Über­schrif­ten völ­lig unbrauch­bar sind; und zwei­tens, weil mir ein­fach nicht in den Kopf gehen will, wie etwas so Gegen­sätz­li­ches, hier etwas Fes­tes und Totes (Mate­ri­al) und da etwas Quir­li­ges und Leben­di­ges (Spie­ler), in ein gemein­sa­mes Wort pas­sen soll.

Ein Schau­er fasst mich …“, so hät­te die­se Debat­te viel­leicht der gute alte Goe­the kom­men­tiert. Sie wis­sen schon, Johann Wolf­gang von Goe­the, ziem­lich gutes Dich­ter­ma­te­ri­al“ der Wei­ma­rer Klas­sik. Womög­lich wür­de Goe­the erschre­cken, sähe er, was wir heut­zu­ta­ge so alles mit dem schö­nen deut­schen Wort­schatz trei­ben. An der Stel­le hät­te er aber noch gar nichts von gen­der­ge­rech­ter Spra­che gehört, dank der wir die Debat­te im Nu um ein Spieler*innenmaterial“ erwei­tern kön­nen. Außer­dem wüss­te Goe­the nichts von Kom­men­tar­funk­tio­nen und „(a)sozialen Medi­en“, dank derer wüten­de Zeit­ge­nos­sen in der Lage sind, im Zuge einer teils läs­ti­gen und teils belus­ti­gen­den, aber eigent­lich harm­lo­sen Debat­te in Sekun­den­schnel­le einen ätzen­den hass­erfüll­ten Kul­tur­krieg zu entfachen.

Him­mel­hoch jauch­zend, zum Tode betrübt; glück­lich allein ist die See­le, die liebt.”

Johann Wolfgang von Goethe in „Klärchens Lied“ im Trauerspiel „Egmont“.

Viel­leicht kön­nen wir es ja ein­fach nicht bes­ser, weil uns schlicht­weg die Wor­te feh­len. Nur rund 4000 Wor­te beträgt der akti­ve Wort­schatz der Bun­des­bür­ger im Durch­schnitt, wäh­rend Wis­sen­schaft­ler in Goe­thes Werk rund 93.000 unter­schied­li­che Wör­ter iden­ti­fi­ziert haben. Dies mel­de­te kürz­lich die KNA anläss­lich des 275. Geburts­tags des Dich­ters am 28. August. Im Goe­the-Wör­ter­buch“ sor­tie­ren seit 1946 Ger­ma­nis­ten der Ber­lin-Bran­den­bur­gi­schen, der Göt­tin­ger und der Hei­del­ber­ger Aka­de­mie der Wis­sen­schaf­ten rund 3,4 Mil­lio­nen Text­be­le­ge aus Goe­thes Gedich­ten, Dra­men, Roma­nen, zahl­lo­sen Brie­fen, Tage­bü­chern, natur­wis­sen­schaft­li­chen Abhand­lun­gen und amt­li­chen Schrif­ten. Das Wör­ter­buch des Klas­sik-Genies soll bis 2029 abge­schlos­sen sein. Auch inter­es­sant: An Goe­thes 200. Geburts­tag, am 28. August vor 75 Jah­ren, wur­de die Deut­sche Aka­de­mie für Spra­che und Dich­tung“ gegrün­det. Damals woll­ten Schrift­stel­ler nach der Nazi-Dik­ta­tur dem unzen­sier­ten Wort wie­der zur Gel­tung ver­hel­fen; heu­te will die Aka­de­mie die Ent­wick­lung der deut­schen Gegen­warts­spra­che im öffent­li­chen, pri­va­ten und media­len Kon­text kri­tisch beglei­ten“. Und da haben die Ger­ma­nis­ten eini­ges zu tun …

… Und kön­nen dank des Goe­the Wör­ter­buchs“ auch mit Wort­krea­tio­nen eines ech­ten Meis­ters auftrumpfen …

… Auf dass auch die trä­gen Dämm­er­fürs­ten“ auf­wa­chen. Und der zer­streu­te Amei­swim­mel­hau­fen“ in der Stadt zusam­men­fin­det. Auf dass sie gemein­sam jenen Lügen­künst­lern“ und Lump­wür­mern“, die sich in der Anony­mi­tät des Inter­nets ver­ste­cken; jenen gars­ti­gen Kun­den und ihrer Raben­trau­lich­keit“, und auch den Selbst­lern“, die nur auf sich schau­en, gera­de heu­er im Goe­the-Jahr auf­zei­gen, dass der Mensch nicht voll­kom­men ist und trotz­dem kei­nen Hass ver­dient hat: Him­mel­hoch jauch­zend, zum Tode betrübt; glück­lich allein ist die See­le, die liebt.“ Wäre doch schön, wenn wir an Goe­thes 300. Geburts­tag in 25 Jah­ren mit einem Erin­ne­rungs­lä­cheln“ auf unse­re Gegen­wart zurück­schau­en könnten …

Michael Glass

Michael Glaß

Redakteur

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