Haben Sie in den vergangenen Wochen auch das Gefühl, dass kaum ein Tag vergeht, an dem in der Post nicht mindestens ein sogenannter „Bettelbrief“ liegt, der von ganz unterschiedlichen Organisationen an unsere Solidarität für in Not geratene Menschen appelliert und um Spenden bittet? Wahrscheinlich zeigt die Erfahrung, dass Menschen in der Zeit vor Weihnachten ganz besonders empfänglich für derlei Anliegen sind. Dafür gibt es aber einen Grund:
In all dem vorweihnachtlichen Trubel wird oft übersehen, dass die Adventzeit nicht nur eine Zeit von Leckereien, Einkaufsbummeln und Weihnachtsfeiern ist, sondern auch eine Fastenzeit, in der Christen aufgerufen sind, über ihr Leben nachzudenken und sich auf die Ankunft des Herrn vorzubereiten. Dazu gehörte von jeher auch die Sorge um Menschen, die in Not geraten sind und unserer Hilfe bedürfen. Es verwundert und erfreut mich daher Jahr für Jahr, auf welch kreative und kunstvolle Weise sich Jung und Alt etwas einfallen lassen, um anderen zu helfen: Kinder packen Schuhkartons, Schulen organisieren Adventmärkte und bieten Selbstgebasteltes an, helfende Hände verkaufen leckere Marmeladen, Nützliches aus Holz und selbstgenähte Kleinigkeiten. Kinder befüllen Opferkästchen oder gehen als Klopfersinger und Sternsinger von Haus zu Haus, um Spenden für notleidende Kinder weltweit zu sammeln. Und natürlich bitten auch die großen Organisationen von Caritas und Diakonie oder aber auch viele andere um großzügige Spenden. Das ist gut so und wichtig.
„Mehr als alle Geschenke zählten das Füreinander-da-sein und das Geschenk der Zeit, die wir miteinander verbringen.”
Ich möchte aber unsere Aufmerksamkeit auch auf die kleinen Spenden lenken: Ich denke dabei aber nicht an kleine Geldzuwendungen, sondern ein freundliches Lächeln, ein gutes, aufmunterndes oder lobendes Wort, das wir für andere Menschen bereithalten. An Kleinigkeiten, über die wir uns freuen, wenn sie uns zugedacht werden. Ich denke an eine Adventskalender-Karte, die mir eine Freundin jedes Jahr schickt, ein Glas Marmelade, die eine Gottesdienstbesucherin mir schenkt, selbstgestrickte Socken, die mir zugedacht werden, oder ein Päckchen Lebkuchen von einem Pfarreiangehörigen, die er selber in großer Zahl bäckt und dann verschenkt.
Vor einigen Tagen fragte mich ein Mann im Gespräch, wie ich denn am Heiligen Abend feiere, und ich sagte ihm, dass meine Kinder mit Enkeln kommen werden. Da meinte er, dass auch bei ihm erstmals seine Tochter mit Enkeln, eines wenige Wochen alt und das andere vier Jahre, kommen werden und er sehr aufgeregt sei, wie das wird. Dabei erinnere ich mich an das erste Weihnachten, als meine Eltern ihren ersten Enkel staunend unter dem Weihnachtsbaum sitzend sahen. Ich werde ihre Augen, die mehr leuchteten als die meines Sohnes, nie vergessen. Und so ergeht es auch mir und vielen anderen: Mehr als alle Geschenke zählten das Füreinander-da-sein und das Geschenk der Zeit, die wir miteinander verbringen. Seit einiger Zeit hat sich eine ehrenamtliche Frau angeboten, in der Kurzzeitpflege Burghausen alten, oft einsamen Menschen ihre Zeit zu schenken. Sie unterhält sich, liest vor oder spielt mit ihnen und hat mir berichtet, welch Glücksgefühl die dankbaren Augen der Senioren bei ihr erzeugen.
Liebe Leserinnen und Leser, ich wünsche Ihnen viele solcher Glücksmomente, die jeder für sich ein kleines Weihnachtsfest in unseren Herzen erzeugen mögen – nicht nur jetzt vor Weihnachten, sondern das ganze Jahr über, Tag für Tag.
Alexandra Kalchauer
Klinikseelsorgerin