Bald 50 Jahre führt Schwester Doris, als einzige bierbrauende Ordensschwester Deutschlands eine Klosterbrauerei. Sie ist überhaupt die letzte Ordensangehörige weltweit, die das Bierbrauerhandwerk noch ausführt.
Außer zum Frühstück wird im niederbayerischen Kloster Mallersdorf, wo noch etwa 380 Ordensschwestern leben und arbeiten, zu jeder Mahlzeit Bier angeboten. Der Orden der „Armen Franziskanerinnen von der heiligen Familie zu Mallersdorf“ hat praktischer Weise eine eigene Brauerei. Noch spektakulärer ist jedoch, dass die Braumeisterin eine echte Nonne ist – die einzige weltweit.
Selbst unter den berühmten „Klosterbrauereien“ ist Mallersdorf die einzige, wo noch ein Ordensmitglied den Beruf des Braumeisters aktiv ausführt. Heute sagt Schwester Doris: „Ich mag Bier, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“.
Bis zu ihrer Meisterprüfung war dies ganz und gar nicht der Fall. Damals trank sie lieber Limonade. „Mein erstes Bier habe ich bei der Meisterprüfung getrunken, mit zugehaltener Nase“, verrät die robuste Ordensfrau in ihrem fränkischen Dialekt. Mittlerweile hat sich das geändert. Heute sagt sie schmunzelnd: „Ich kann mir nicht vorstellen, zu einem Schweinebraten einen Kamillentee zu trinken.“
Geboren wurde Schwester Doris Engelhard 1949 in Mittelfranken mit dem Taufnamen Walburga. Bis zu ihrem dreizehnten Lebensjahr wuchs sie in Herrieden bei Ansbach auf. Ihr Weg führte sie 1962, nach dem beeindruckenden Vorbild einer Nonne, die in ihrem Heimatort als Krankenschwester gewirkt hatte, ins Internat des Klosters Mallersdorf. „Ich wollte wie sie werden“, berichtet Schwester Doris mit einem freudigen Gesichtsausdruck. Sie hatte ihre erkrankte Mutter so liebevoll gepflegt. Damit stand ihr eigenes Ziel fest: „Ich will Ordensschwester werden!“
Mit Beendigung der Schule trat sie in den Orden ein und hoffte, ihrem Interesse nach in der Landwirtschaft des großen Klostergutes eingesetzt zu werden. „Weil dort aber niemand gebraucht wurde, bin ich Brauerin geworden“, erklärt die Ordensfrau mit etwas verschmitzten Gesichtszügen. Ihre Vorgängerin im Amt, die ab 1933 die erste Braumeisterin der Mallersdorfer Schwestern gewesen war, suchte eine würdige Nachfolgerin. So absolvierte Schwester Doris eine zweieinhalbjährige Ausbildung und drückte die Schulbank der Brauereifachschule in Ulm. Dort war sie die einzige Frau. Als Jahrgangsbeste schloss sie dort 1974 die Meisterprüfung ab.
Dass erst in den letzten Jahren vermehrt Frauen in diese Branche einsteigen, verwundert die Klosterfrau ein wenig, schließlich sei Brauen seit eh und je vornehmlich Frauensache gewesen. Zum Beleg ihrer Aussage führt sie die bekannte Ehefrau Luthers an, Katharina von Bora, die vor ihrer Hochzeit wie selbstverständlich Bier gebraut hatte, um die Gäste zünftig bewirten zu können. „Es heißt ja nicht umsonst, „heute back‘ ich, morgen brau‘ ich“, untermauert sie.
Normalerweise beginnt für die Ordensfrauen der Tag um 5.30 Uhr mit den Morgengebeten in der Klosterkirche. Am Brautag beginnt der Arbeitstag für die Wächterin über das Reinheitsgebot aber bereits um 3.30 Uhr in der Früh. Dann werden Gerste aus den eigenen Feldern des Klostergutes und Hopfen aus der Region zu einem deftigen Trunk verarbeitet. Viele Prozesse müssen eingeleitet und kontrolliert werden. Seit einigen Jahren schon hilft ein computergestütztes Programm dabei. Schließlich werden unter der Federführung der Brauschwester jährlich 3000 Hektoliter Bier und 700 Hektoliter Limonade gebraut. Davon werden 20% des Bieres im Kloster selber kredenzt. Der Rest wird entweder abgeholt oder auch in umliegenden Betrieben, in einem Radius von ca. 40 Kilometer, verkauft. So kommen die begehrten Bierflaschen bis nach Regensburg, Straubing und Landshut.
Den Nachschub muss die Frau mit ihrem weißen Arbeitsschleier gewährleisten, da ihr Bier nicht pasteurisiert wird und damit nur etwa zwei Monate haltbar ist. Damit unterscheidet sich das kräftige Naß von der Konkurrenz aus der Industrie, wo jedes Bier einer Marke gleich schmeckt. Die Ordensfrau hält das nicht für natürlich, da die Gerste allein auch schon bei jeder Ernte etwas anders ist. Für „narrisch“ hält die Schwester diejenigen, die meinen, dem Bier Zitrone oder Ingwer beimischen zu müssen, um es dann immer noch als „Bier“ anzupreisen.
Ihr Klosterbier ist dagegen grundehrlich. Da ihr Qualität vor Masse geht, ist die Auswahl im Niederbayrischen nicht gar so groß, was die resolute Frau mit Herz mit: „Weißbier und Dunkles gibt‘s nicht, das mag ich nicht“, unumwunden gesteht. Stattdessen bietet die Schwester ein helles Vollbier, einen Maibock, einen Weihnachtsbock und einen besonders gehaltvollen Doppelbock zur Fastenzeit an.
Grundehrlich und direkt ist Schwester Doris auch, wenn jemand meint, das Wort „Saufen“ in Verbindung mit dem Kulturgut Bier verwenden zu müssen. Sogar ihr Neffe, der in seiner Geburtstagseinladung seine Kumpel zum „Saufen“ einlud, bekam eine Standpauke. „Der Mensch trinkt und das Vieh säuft“, so die konsequente Ordensfrau, die die ebenfalls erhaltene Einladung daraufhin ausschlug.
An Müßiggang ist auch während der Reifezeit des Bieres nicht zu denken. Der Klosteralltag ist, und das betont die erfahrene Ordensfrau mit Nachdruck, „kein Wellness-Urlaub“, wie einige Besucher glauben. Von ihrer ehrenvollen Aufgabe, die ganz in der Tradition des Klosters seit mindestens 1623 besteht, ist Schwester Doris überzeugt. Nach wie vor sorgt sie dafür, dass, wie es in der Chronik heißt, dass Bier fassweise gebraut wird, um „den Klosterbewohnern ein reines nahrhaftes Getränk zu verschaffen und obendrein sich noch um die Wohlfahrt und Gemütlichkeit einer ehr- und lobsamen Bürgerschaft von Mallersdorf und Umgebung verdient zu machen“.
Übrigens: Seit Sommer 2014 ist Schwester Doris auch Botschafterin Niederbayerns. Schwester Doris‘ Lieblingsbier: das unfiltrierte naturtrübe „Zoigl“ – ein Vollbier mit Hefe.
Text: Elmar Lübbers-Paal
Der Orden
Der „Orden der Armen Franziskanerinnen von der Heiligen Familie“ wurde 1855 vom seligen Paul Josef Nardini gegründet. Die Schwestern haben sich besonders dem „Beitrag zur Erneuerung des Familienlebens“ verschrieben und sind karitativ tätig. Neben fünf Niederlassungen in Deutschland ist der Orden auch in Rumänien und Südafrika vertreten.