Glaube und Tradition

Der andere Antonius

Redaktion am 08.01.2024

Einsiedler und Mönchsvater. Antonius „der Große“ mit dem T-förmigen Stab in einer Darstellung in einer Kapelle in Holzen, Gemeinde Winhöring.

Über den Facketoni, die Rennsau und das Antoniusfeuer – Erquickliches zum 17. Januar, dem Gedenktag St. Antonius des Einsiedlers

Vor nicht all­zu lan­ger Zeit konn­te es noch pas­sie­ren, dass ein Hans, Franz, Karl oder auch ein Toni neu­gie­rig, bis­wei­len auch mit einem Augen­zwin­kern, gefragt wur­de, was er denn nun für einer sei. Außer­halb Alt­bay­erns, in nicht katho­li­schen Gefil­den, mag solch ein Ansin­nen für Irri­ta­ti­on sor­gen – im Land zwi­schen Donau, Inn und Salz­ach hat­te man für sol­che Zwe­cke jedoch sofort die rich­ti­ge Ant­wort parat, die da heißt: Win­ter­han­si, Som­mer­hansl, Franz Xaver, Franz Seraph, Assi­s­i­franzl, Karl Bor­ro­mä­us und Karl der Gro­ße. Char­mant wur­de es nur bei den Tonerln, denn da hat­te der betrof­fe­ne Namens­trä­ger nur die Wahl zwi­schen dem rus­ti­ka­len Facke­to­ni“ oder dem leicht­le­big wir­ken­den Schlam­plerl­to­ni“ – bei­des also Anto­ne mit popu­lä­ren Spitz­na­men von eher frag­wür­di­ger Zuschrei­bung. Dass der eine, der aus Ita­li­en, heu­te der bekann­te­re Hei­li­ge ist als der aus Ägyp­ten, das ist eine ganz eige­ne Geschich­te. Sie hat viel­leicht mehr mit ver­än­der­ten Zeit­läuf­ten in der Öko­lo­gie und Öko­no­mie als mit Theo­lo­gie zu tun.

Matthias Grünewald: Antonius, Isenheimer Altar, linker Flügel, um 1515, im Musée d'Unterlinden in Colmar.

Der bis heu­te anhal­ten­den Popu­la­ri­tät des Vor­na­mens Anton ist es wohl zu ver­dan­ken, dass auch volks­kund­li­che Über­lie­fe­run­gen über den gro­ßen“ Ein­sied­ler und Mönchs­va­ter aus Ägyp­ten erhal­ten blie­ben, jeden­falls in Alt­bay­ern, wenn gleich sich ihr Inhalt und ihre Her­kunft uns nicht mehr gleich erschlie­ßen. Kapel­len und Kir­chen mit sei­nem Patro­nat gibt es eher in Schwa­ben und Fran­ken als im baye­ri­schen Kern­land. Dar­stel­lun­gen des hei­li­gen Anto­ni­us Ere­mi­ta fin­den sich mit sei­nen für ihn typi­schen Attri­bu­ten Schwein, Glöck­chen und dem T‑förmigen, an das grie­chi­sche Tau, erin­nern­den Kreuz­stab, doch oft­mals wird das Schwein auch als Hund inter­pre­tiert, und so wird aus dem in der Früh­zeit des Chris­ten­tums bereits bedeu­ten­den Anto­ni­us Abba flugs der Super­star des Mit­tel­al­ters, der hei­li­ge Rochus. Am bekann­tes­ten dürf­ten bis in unse­re Gegen­wart die soge­nann­ten Bau­ern­re­geln um den Win­ter­to­ni­tag sein, denn, wenn zu Anto­ni die Luft ist klar, gibt‘s ein tro­cke­nes Jahr“ und gro­ße Kält‘ am Anto­ni­tag, gro­ße Hitz‘ am Loren­zi­tag“ beschrei­ben ein tat­säch­lich wis­sen­schaft­lich doku­men­tier­tes Wet­ter­phä­no­men. Tro­cke­ner und kla­rer Win­ter­luft, die ger­ne Mit­te Janu­ar das Hoch­druck­wet­ter beherrscht, folgt auf­fal­lend oft ein zu trock­nes Jahr mit einem brü­tend hei­ßen Som­mer. Anders als etwa zum Sebas­tia­ni­tag oder zu Mariä Licht­mess sind volks­kund­li­che Vers­lein über die Zunah­me des Tages­lichts um Anto­ni weni­ger zahl­reich, inhalt­lich dafür umso kecker, bezie­hen sie sich auf die Bedeu­tung des Hei­li­gen als Vater des christ­li­chen Mönch­tums, denn um Anto­ni­us neh­men die Täg zu um eine klei­ne Mönchesruh‘“.

2.214.600 Schwei­ne wur­den 2022 in baye­ri­schen Betrie­ben gehal­ten. Das weiß­blaue Bun­des­land gilt als das Para­dies des Bors­ten­viehs schlecht­hin, wenn­gleich an Weser, Ems, Elbe, Rhein und Ruhr sta­tis­tisch gese­hen mehr Sau­en, Eber und Fer­kel in den Stäl­len ste­hen. Es sind sicher nicht die kuli­na­ri­schen Genüs­se wie Schäu­fe­le, Sulz und Kes­sel­fleisch oder die schwei­ner­nen Legen­den baye­ri­scher Metz­gers­kunst wie Press­sack und Schwarz­ge­räu­cher­tem, die die Bay­ern bevor­zugt Schwei­ne­pa­tro­ne wie St. Leon­hard, St. Wen­de­lin und vor allem St. Anto­ni­us ver­eh­ren lie­ßen, von dem es der Legen­de nach hieß, dass die Jung­frau Maria ihm bei sei­ner Ankunft im Him­mel erlaubt habe, ein Schwein mit­zu­neh­men, dass ihn über­all hin­be­glei­tet habe. Viel­mehr mag für die Beliebt­heit des hei­li­gen Anto­ni­us Ere­mi­ta auch die römi­sche Ver­gan­gen­heit Alt­bay­erns eine Rol­le gespielt haben, gehör­ten Schwei­ne bis weit ins 4. nach­christ­li­che Jahr­hun­dert im dama­li­gen Räti­en und Nori­cum immer noch zu den bevor­zug­ten Opfer­tie­ren. Sie ver­spra­chen dem, der sie zum Altar brach­te, Frucht­bar­keit und Wohl­stand. Tat­säch­lich gibt es in Öster­reich heu­te noch Regio­nen, an denen wäh­rend der Mes­se am Anto­ni­tag schwei­ner­ne Würs­te, Schin­ken und Speck­ran­ken auf einer Stan­ge hoch über dem Altar hängen.

Bis in die Barock­zeit hin­ein war es üblich gewe­sen, am 17. Janu­ar zu Anto­ni­us­kir­chen zu wall­fahr­ten, um in der Mes­se Schwei­ne­schmalz, Schweins­köp­fe, Haxen und Ohren, ja gan­ze Span­fer­kel als Gaben darzubringen.

In die kul­ti­sche Ver­eh­rung der Sau schwang über vie­le Jahr­hun­der­te stets etwas archa­isch Dunk­les mit­hin­ein, glaub­te man doch, dass, in ein in dre­cki­ger Erde wüh­len­des Schwein, auch böse Geis­ter und Krank­hei­ten gebannt wer­den konn­ten. Anto­ni­us, den immer wie­der Dämo­nen heim­such­ten, um ihn von sei­nem Leben in mön­chi­scher Aske­se abzu­brin­gen, war wohl für die­se frü­hen Vor­stel­lun­gen von Infek­tio­lo­gie und Immu­no­lo­gie die idea­le Iden­ti­fi­ka­ti­ons­fi­gur. Und so konn­te es fast nicht aus­blei­ben, dass er im frü­hen Mit­tel­al­ter als sei­ne Ver­eh­rung ein­setz­te, bei Pest und anste­cken­den Krank­hei­ten ange­ru­fen wurde.

Statue in der Antonius geweihten Kapelle in der Kathedrale in Segovia. Rechts unten ein kleines Schwein – neben dem T-förmigen Kreuz und der Bettlerglocke eines seiner Attribute.

Schier gren­zen­los wur­de die Popu­la­ri­tät Anto­ni­us des Gro­ßen, als ein jun­ger Mann aus fran­zö­si­schem Adel nach dem Besuch des Anto­ni­us­gra­bes von sei­ner unheil­ba­ren Ver­gif­tung mit Mut­ter­korn geheilt wor­den war. Fort­an trug die Krank­heit den Namen Anto­ni­us­feu­er“ – heu­te noch nennt man den Rot­lauf im Anfangs­sta­di­um bei Schwei­nen so. Der Mut­ter­korn­brand hat­te Mensch und Schwein in ganz Euro­pa in sei­ner Gewalt, dazu kamen die Pest und regel­mä­ßi­ge Cho­le­ra­epi­de­mien. 1095 wur­de des­halb der Pfle­ge­or­den der Anto­ni­ter gegrün­det. Inner­halb nur weni­ger Jah­re eröff­ne­ten Hun­der­te von Anto­ni­us­häu­sern, in denen am Anto­ni­us­feu­er erkrank­te gepflegt und medi­zi­nisch ver­sorgt wur­den. Ihnen ver­ab­reich­te man zur Hei­lung Anto­ni­us­wein und das gleich­na­mi­ge Was­ser. Bis heu­te hat sich der Brauch gehal­ten, am 17. Janu­ar Anto­ni­us­was­ser zu seg­nen und damit die Haus­tie­re zu trän­ken. Beson­ders lin­dernd war der Anto­ni­us­bal­sam, des­sen Rezep­tur man auf dem berühm­ten Isen­hei­mer Altar im ehe­ma­li­gen Anto­ni­ter­klos­ter ent­de­cken kann. Das Tafel­bild von St. Antons Besuch beim Ere­mi­ten Pau­lus zeigt 14 mitt­ler­wei­le iden­ti­fi­zier­te Heil­pflan­zen, die für Tink­tu­ren und Sal­ben zur Behand­lung des Anto­ni­us­feu­ers ver­wen­det wur­den. Zum Unter­halt der Hos­pi­tä­ler und Klös­ter erlaub­te man den Anto­ni­tern außer­dem, ihr Bors­ten­vieh öffent­lich auf Stra­ßen und Plät­zen wei­den zu las­sen, denn für die in Anspruch genom­me­nen Diens­te hat­ten die Gesun­de­ten ihre Kran­ken­pfle­ger mit Mut­ter­sau­en und Fer­keln ent­lohnt, den soge­nann­ten Anto­ni­us­schwei­nen, in Mün­chen lie­be­voll als Renn­säue tituliert.

Sie tru­gen das soge­nann­te Tau als Brand­zei­chen und ein bis zwei Glöck­chen an den Ohren, um vor Anste­ckung zu war­nen; am Anto­ni­us­tag muss­ten sie ihr Leben las­sen – der 17. Janu­ar ist auch heu­te noch der ers­te gro­ße Schwei­ne­schlacht­tag im neu­en Jahr.

Das Anto­ni­us­feu­er, die Anto­ni­ter, die Renn­säue – sie alle sind seit Jahr­hun­der­ten Ver­gan­gen­heit. Geblie­ben ist ein Hei­li­ger, der vom intel­lek­tu­el­len Gelehr­ten und Grün­der des christ­li­chen Mönch­tums zum Schutz­pa­tron des Schweins, der Metz­ger, der Sau­bau­ern und der Haus­tie­re wur­de – in Alt­bay­ern lie­be­voll bekannt als Facke­to­ni“.

Text: Maxi­mi­lia­ne Heigl-Saalfrank

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