Stadtpfarrer emeritus Günther Mandl bezeichnet bei Andachten, Predigten und Fürbitten den hl. Bruder Konrad von Parzham gerne als den „Stadtheiligen Altöttings“ – verbrachte doch dieser Kapuzinerbruder 41 Jahre seines Lebens an der Klosterpforte des damaligen St.-Anna-Klosters, das mittlerweile nach ihm benannt wurde. Nur die Geschäftigkeit eines millionenfach besuchten Wallfahrtsortes ließ in Bruder Konrad die Demut, Bescheidenheit und Opferbereitschaft reifen, die ihm später als heroischer Tugendgrad angerechnet wurde.
Mehr noch als Bruder Konrad hielt über die Jahrhunderte die Gottesmutter ihre schützende Hand über den Wallfahrtsort. Bekannt sind zum Beispiel die Darstellungen aus der „Schau“ im Marienwerk, wo einerseits das im Himmel schwebende Gnadenbild den Schweden und Franzosen den Übertritt über den Inn verwehrte, als sie während des 30-jährigen Krieges 1648 versuchten, die Stadt einzunehmen. Ein anderes Bild zeigt den Stadtbrand von 1712, der erst gelöscht werden konnte, als man das Gnadenbild feierlich aus der Kapelle zum Brandherd trug.
Und dann so was! Ein Andachtsbild aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigt völlig unerwartet einen ganz anderen Heiligen, der sich anmaßt, in segnender Manier über Altötting zu kreisen – ausgerüstet mit Bischofsstab und Bischofsmütze. Das Bild stellt weder den hl. Rupert dar, der laut Lokallegende das Gnadenbild seinerzeit nach Altötting gebracht haben sollte, noch den hl. Nikolaus, der ja immer ein gern gesehener Gast ist, sondern vielmehr den hl. Alfons Maria Liguori, einen Italiener aus Neapel (1696−1787).
Zwischen 1841 und 1873 war Liguori in Altötting hochverehrt, war er doch der Gründer des Redemptoristen-Ordens, der in diesem Zeitraum eine Altöttinger Niederlassung im St.-Magdalena-Kloster unterhielt. Bei der Kirchenrenovierung 1843 kam es sogar so weit, dass die bestehenden Altarbilder der vorderen Seitenaltäre durch neue ersetzt wurden. Das linke Gemälde, geschaffen vom Münchner Künstler Josef Holzmaier, zeigt genau das Motiv des Andachtsbildes: Bischof Alfons schwebt, begleitet von zwei Engeln, über Altötting, gütig herabblickend und mit der rechten Hand segnend. Als die Redemptoristen 1873 Altötting verlassen mussten, nahmen sie das Altargemälde mit und hingen es in ihrer neuen Niederlassung in Gars am Inn wieder auf, wo es heute noch zu bestaunen ist.
Hoffen wir, dass der Segen dieses „Stadtheiligen auf Zeit“ immer noch anhält, auch wenn er mittlerweile 45 km von Altötting entfernt gespendet wird!
Text: Christian Haringer