Um Himmels willen

Redaktion am 21.10.2024

2024 10 21 pb alb aufmacher ausgabe 44 2024 Foto: red
Titel der aktuellen Ausgabe.

Im Editorial der aktuellen Ausgabe kommentiert unser Autor Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie.

Gott sei Dank! Die heu­ti­ge Jugend ist doch nicht so arbeits­scheu, ver­weich­licht und gleich­gül­tig wie befürch­tet. Der aktu­el­len Shell-Jugend­stu­die zufol­ge sind die zwölf bis 25-Jäh­ri­gen nicht nur poli­tisch deut­lich inter­es­sier­ter als zuvor – auch klas­si­sche Tugen­den wie Fleiß, Ehr­geiz, Gesetz und Ord­nung spie­len für sie eben­so eine gro­ße Rol­le wie Tradition. 

Von all ihren Lebens­zie­len räu­men Jugend­li­che der Unter­su­chung zufol­ge wei­ter­hin sta­bi­len Bezie­hun­gen, Freund­schaf­ten und Fami­lie den höchs­ten Stel­len­wert ein. Ein Groß­teil der Jugend­li­chen baue dabei auch in Zei­ten gesell­schaft­li­cher Kri­sen – von Coro­na über Kli­ma bis Krie­ge – auf eige­ne Res­sour­cen und eine gro­ße Unter­stüt­zung aus dem per­sön­li­chen Nah­be­reich, um ihre Ziel­vor­stel­lun­gen trotz mög­li­cher Wid­rig­kei­ten umzusetzen.

Die Jugend­li­chen neh­men sehr sen­si­bel wahr, wenn ihre Belan­ge nicht berück­sich­tigt wer­den. Ihre Bot­schaft ist: Wir sind ein Sta­bi­li­täts­an­ker – noch. Aber bezieht uns ein und packt die Pro­ble­me an!”

Mathias Albert, Hauptautor der Shell-Jugendstudie 2024 in der „Zeit“ zum Thema Generationengerechtigkeit.

Der erleich­ter­te Aus­ruf Gott sei Dank!“ ist den­noch wohl etwas deplat­ziert. Denn im zitier­ten per­sön­li­chen Nah­be­reich“ scheint der christ­li­che Him­mel immer fer­ner. Dem Herr­gott dan­ken die jun­gen Men­schen kaum mehr für alles Gute, das ihnen auf ihrem Lebens­weg wider­fährt. Im Gegen­teil: Reli­gi­on spielt bei christ­li­chen Jugend­li­chen laut neu­es­ter Shell-Jugend­stu­die eine immer gerin­ge­re Rol­le. Nur noch 38 Pro­zent der jun­gen Katho­li­ken geben an, dass ihnen der Got­tes­glau­be wich­tig sei. 2002 waren es noch 51 Pro­zent. Nur noch die Hälf­te aller 12- bis 25-Jäh­ri­gen gehört dem­nach in Deutsch­land einer der bei­den gro­ßen christ­li­chen Kir­chen an; im Jahr 2002 waren es noch zwei Drittel. 

Auch im All­tag ver­liert der Glau­be für christ­li­che Jugend­li­che an Bedeu­tung. Von allen Befrag­ten beten 18 Pro­zent min­des­tens ein­mal in der Woche, 31 Pro­zent sel­te­ner. 49 Pro­zent beten laut eige­ner Aus­sa­ge nie; letz­te­res sag­ten laut Stu­die im Jahr 2002 nur 29 Pro­zent. Bei der Fra­ge nach dem Ver­trau­en in gesell­schaft­li­che Insti­tu­tio­nen brin­gen Jugend­li­che den Kir­chen das größ­te Miss­trau­en ent­ge­gen (2,4 Punk­te vom Höchst­wert 5). So ver­trau­en sie etwa der Bun­des­re­gie­rung, der EU, Ban­ken und auch den Par­tei­en mehr als den Kirchen.

Das alles sind kata­stro­pha­le Wer­te. Die jun­gen Men­schen neh­men Reli­gi­on und Kir­che offen­bar gar nicht mehr wahr als gesell­schafts- und lebens­re­le­van­ten Fak­tor. So bekla­gens­wert das ist, Jam­mern hilft hier auch nicht weiter. 

Was dage­gen hel­fen könn­te, ist, sich an die eige­ne Nase zu fas­sen: Wenn Eltern kei­nen sinn­stif­ten­den und Halt geben­den Glau­ben vor­le­ben, kön­nen Reli­gi­ons­leh­rer, Gemein­de­re­fe­ren­ten und Geist­li­che noch so vie­le Kaprio­len schla­gen – es wird schwer sein, die Jugend­li­chen zu errei­chen. Das ent­lässt die Pro­fis“ frei­lich nicht aus der Ver­ant­wor­tung, es wenigs­tens zu ver­su­chen: im Nah­be­reich der jun­gen Men­schen. Authen­ti­sche Vor­bil­der sind hier näm­lich sehr gefragt. Da müss­te doch mehr mög­lich sein. Um Him­mels willen!

Wolfgang Terhoerst

Wolfgang Terhörst

Redaktionsleiter

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