Ein paar Tage müssen Sie noch durchhalten, dann haben Sie es geschafft: Am 17. Januar ist der internationale Wirf-deine-Jahresvorsätze-über-Bord-Tag. Ob Sie mit dem Rauchen aufhören wollten oder mit den Schleckereien oder dem Alkohol – mit diesem kuriosen Aktionstag können Sie ohne schlechtes Gewissen alle guten Vorsätze über Bord werfen und wieder in die geliebte Komfortzone des Vorjahres zurückkehren. Erfunden haben diesen Tag wieder mal die Amerikaner. Das war‘s dann aber auch schon fast, was man darüber weiß.
Natürlich ist das nicht ganz ernst gemeint. Es schadet nicht, das eigene Sein und Handeln gelegentlich zu überdenken, sein Leben zu hinterfragen und manche Weichen neu zu stellen. Schließlich warnt schon das Alte Testament: Wer auf verkehrten Wegen geht, der wird irgendwann in eine Grube fallen. Und nicht nur Hermann Hesse wusste um den Zauber eines Neuanfangs.
Ob freilich der Jahreswechsel 2023 der richtige Zeitpunkt für allzu asketische Vorsätze war, sei dahingestellt. Denn die vergangenen Monate sind wohl nur an ganz hartgesottenen Menschen spurlos vorübergegangen. Fast drei Jahre Corona, der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die wirtschaftlichen Unwägbarkeiten in vielen Haushalten, die Klimakrise – all das drückt aufs Gemüt und bringt Verzicht mit sich. Und dann noch der Winter, die Kälte, die langen Nächte – da bibbert der Mensch und die Gute-Laune-Hormone schlummern fest eingemummelt tief im Inneren unseres Körpers. Noch mehr Verzicht? Nein, Danke!
Aber ich frag mich, ob es nicht auch einen anderen Weg zum Wandel gibt. Nehmen wir uns doch einfach Dinge vor, die uns gut tun. Denken wir uns wohltuende Genießer-Vorsätze aus. Buchstabieren wir für uns ein Abc der Zuwendung. Vorstellen kann ich mir da Vieles: Kleinigkeiten wie das Nachholen lang aufgeschobener Besuche, ein Lächeln in der Schlange vor der Supermarkt-Kasse oder ein Einkauf im Seconhand-Laden. Vielleicht darf‘s auch ein bisschen mehr sein: Mehr Geld für gute, regionale Lebensmittel, mehr Zeit für ein Gebet oder eine andere Art des bewussten Beginnens und Beendens des Tages, mehr Mut zum Vergeben. Wenn es uns dann noch gelingt, bei Fehlern anderer Leute beide Augen zuzudrücken, uns nicht an die eigenen Probleme zu klammern und den Montagmorgen mit der Stimmung vom Freitagabend anzufangen, wär schon viel gewonnen.
Wie, das ist zu viel des Guten? Kein Problem: Sie haben noch mehr als 350 Tage Zeit, um für sich zu entscheiden, was Ihnen gut tut und Ihr Leben reicher macht. Bis zum 31. Dezember. Dann ist der internationale Entscheide-Dich-endlich-Tag (engl. Make Up Your Mind Day). Dann gibt‘s kein Zurück mehr… bis zum 17. Januar.
Wolfgang Krinninger
Chefredakteur